Sexualisierte Gewalt gegen Kinder – Rat und Hilfe für Eltern
Allein die Vorstellung, dass Kinder sexualisierte Gewalt erleben, ist schwer auszuhalten. Noch schwerer fällt es, über dieses Thema zu sprechen. Die polizeiliche Kriminalstatistik von 2019 weist bundesweit 15.701 Fälle aus. Die Dunkelziffer wird jedoch zehn- bis zwanzigmal höher geschätzt. Es wird davon ausgegangen, dass sich in jeder Schulklasse ein Kind befindet, das sexualisierte Gewalt erlebt (hat).
Was ist sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen?
Sexueller Missbrauch oder sexualisierte Gewalt an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Mädchen* und Jungen* gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie wegen ihrer körperlichen, seelischen, geistigen oder sprachlichen Unterlegenheit nicht zustimmen können. Die meist erwachsenen Täter oder Täterinnen nutzen dabei ihre Macht und Autorität aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.
Die Handlungen, die als sexualisierte Gewalt oder sexueller Missbrauch bezeichnet werden, weisen eine große Bandbreite auf. Sexualisierte Gewalt beginnt bei verbaler Belästigung, eingehendem Betrachten des kindlichen Körpers oder flüchtigen Berührungen des Genitalbereichs und reicht bis hin zu schweren körperlichen Übergriffen. Es gibt auch Missbrauchshandlungen, die den Körper des Kindes nicht direkt einbeziehen, z.B. wenn jemand vor einem Kind masturbiert oder dem Kind gezielt pornografische Darstellungen zeigt.
Wer macht so etwas? Wer ist betroffen?
Sexueller Missbrauch findet meistens im nahen sozialen Umfeld der Kinder und Jugendlichen statt. Dazu gehören der Freundes- und Bekanntenkreis der Familie, die Verwandtschaft sowie die Familie selbst. Auch Orte wie z.B. Kindertagesstätten, Schulen, Vereine oder Freizeitgruppen gehören zum sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen.
Oft kennt das Kind den Täter oder die Täterin. Das Kind hat Vertrauen zu dieser Person und das wird von Täter oder Täterin gezielt ausgenutzt. Deshalb spüren die Mädchen* und Jungen* zunächst keine Gefahr und können sich darum kaum schützen.
Ebenso können Kinder und Jugendliche im digitalen Raum wie sozialen Netzwerken, Chats und Videospielen sexualisierte Gewalt erleben. Denn Täter und Täterinnen versuchen hier aus der Anonymität heraus, mit Mädchen* und Jungen* Kontakt aufzunehmen und Vertrauen aufzubauen.
Sexualisierte Gewalt gegen Mädchen* und Jungen* kann auch von älteren Kindern und Jugendlichen ausgehen. Auch Kinder können gegenüber Gleichaltrigen sexuell übergriffiges und grenzverletzendes Verhalten zeigen.
Gibt es Anzeichen für sexuellen Missbrauch?
Nur wenige Mädchen* und Jungen* sagen direkt, wenn sie sexualisierte Gewalt erlebt haben. Einige Kinder machen Andeutungen. Häufig werden ihre Hinweise jedoch nicht richtig verstanden, weil Kindern die richtigen Worte für das Geschehene fehlen.
Wenn Mädchen* und Jungen* sexuellen Missbrauch erleiden, kann dies unterschiedliche Folgen haben. Manchen Kindern und Jugendlichen merkt man nichts an, andere verändern sich und zeigen Auffälligkeiten, die als Signale ernst genommen werden müssen. Solche Veränderungen bedeuten, dass das Kind Probleme hat oder belastende Dinge erlebt. Unabhängig davon, ob ein Kind Verhaltensauffälligkeiten zeigt oder nicht, benötigt es die besondere Aufmerksamkeit der Eltern.
Was können Eltern tun?
Durch Information und altersgemäße Sexualaufklärung können Sie Ihr Kind stärken. Kinder sollten die Erfahrung machen, dass ihre Grenzen geachtet werden und lernen, Grenzen zu akzeptieren. Wenn Sie sich als Eltern Sorgen um Ihr Kind machen, einen Verdacht haben oder Ihr Kind sich Ihnen anvertraut, versuchen Sie ruhig zu bleiben, auch wenn es schwer fällt! Konfrontieren Sie nie den möglichen Täter oder die mögliche Täterin mit dem Verdacht oder Vorwurf!
Wenden Sie sich umgehend an eine Fachberatungsstelle. Fachstellen wie die Beratungsstelle für Mädchen* und junge Frauen* von IMMA e.V. sowie KIBS, die Kontakt-, Informations- und Beratungsstelle für Jungen* und junge Männer* des KINDERSCHUTZ MÜNCHEN, bieten telefonische, persönliche und auch anonyme Beratung an. Die Berater*innen unterliegen der Schweigepflicht. In einem Beratungsgespräch können Sie Ihre Sorgen oder Vermutungen besprechen und erhalten Hilfen und Unterstützung für das weitere Vorgehen.
Dieser Artikel wurde verfasst von KIM, dem Kooperationsprojekt von IMMA e.V. und dem KINDERSCHUTZ MÜNCHEN. KIM berät Mädchen*, Jungen* und junge Erwachsene bis 27 Jahre im Landkreis Fürstenfeldbruck bei sexuellen und anderen Gewalterfahrungen.