Lob statt Strafe
Wann loben wir unsere Kinder und wann strafen wir sie? Strafen wir überhaupt? Und soll, darf und kann die Beziehung zum eigenen Kind methodenhaft werden? Ist Erziehung nicht „out“ und „Beziehung“ in? Im Ratgeber-Dschungel für Eltern findet sich zu so ziemlich jeder Haltung etwas.
Trotz aller Unterschiede in der Ratgeberliteratur, ist sich die Fachwelt über eines einig: Kinder stark machen ist ein guter Weg, sie auf das Leben vorzubereiten.
Stark machen durch Lob und Zuversicht hat immense Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl des Kindes. Die Kraft positiver Gedanken kann über manche Lücke, Krise und Konflikte hinweg helfen. Kaum einer, der es nicht schon erlebt hat. Es beflügelt und setzt ungeahnte Kräfte frei, wenn wir selbst an den Erfolg einer Sache glauben. Es ist die halbe Miete. Ziele, an deren Erreichen wir dagegen selbst nicht glauben, sind schon vom Beginn an zum Scheitern verurteilt. Wenn man dieses Phänomen auf den Bereich der Erziehung überträgt, wird klar, welch großen Beitrag das Lob leisten kann. Denn auch unsere Kinder können durch gekonntes Loben zu Höchstleistungen animiert werden. Achtung, Sie wollen aus Ihrem Kind sicherlich keine Hochleistungsmaschine machen, sondern es stärkend begleiten, es befähigen für sich und seine Interessen kompetent einzutreten. Und das können Sie durch Loben und ohne, dass es den Beigeschmack von Manipulation hat.
Aber: wie geht richtiges Loben? Und warum kann ein Lob so große Wirkung haben ?
Ein Lob macht uns von außen darauf aufmerksam, dass wir etwas richtig gemacht haben. Es ist ein Erfolg. Erfolge machen uns bewusst, was wir bereits geschafft haben.
Erfolge können dazu beitragen, dass wir anschließend zuversichtlicher und mit gesteigertem Engagement an Aufgaben herantreten, indem sie:
die Stimmung erhöhen, d.h. wir fühlen uns gut, ein Ziel erreicht zu haben
das Gefühl vermitteln, dass unser Handeln effektiv ist
und sowohl unser Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als auch unsere Erwartungen erhöhen, auch in Zukunft erfolgreich sein zu können.
Auch Misserfolge und Ziele, die noch nicht erreicht wurden, können motivierende Effekte haben, denn sie:
signalisieren, dass ein gewünschtes Ziel noch nicht erreicht und weitere Anstrengung notwendig ist
lösen so ein gewisses Maß an Unzufriedenheit aus und
steigern damit die Bereitschaft, weitere Energie in ein Ziel zu investieren und bei Veränderungen mitzuwirken – vor allem dann, wenn das Ziel uns wichtig ist.
Kinder können ihre Erfolge und Misserfolge noch nicht immer neutral beurteilen. Unsere Wahrnehmung ob etwas gut oder schlecht war, wird von den Kindern sehr aufmerksam aufgenommen und so bildet sich, nach und nach, nach jahrelangem Sammeln von Erfahrungen ein eigener Wertekatalog bei den Kindern aus. Und da unsere Kinder unser Verhalten so aufmerksam annehmen, lohnt es, hier achtsam zu agieren. Nutzen wir also die Chance, die in jedem Erfolg liegt, das Vertrauen des Kindes in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Und nutzen wir die Chance jedes Misserfolgs, die Bereitschaft beim Kind für weitere Anstrengung zu steigern, weil es weiß und spürt, dass es nicht grundsätzlich falsch gehandelt hat, sondern dass weitere Energie nötig ist und dass Veränderung möglich ist. Und vor allem: seien Sie als Eltern nicht immer kategorisch im Festschreiben von Erfolg oder Misserfolg. Das ist mitunter nämlich gar nicht das wichtigste.
Unsere Kinder erleben Erfolge und Misserfolge. Daran können und sollen Sie auch gar nichts ändern. Sie können aber in beiden Fällen Motivierendes heraussortieren, indem Sie den Lösungsweg und nicht nur das Ergebnis im Auge behalten, indem Sie aufmerksam die Anstrengungen Ihres Kindes beobachten und Ihrem Kind auch zeigen, dass Sie es in seiner Anstrengung bemerken und indem Sie beim Loben und Bewerten zwischen der Person und der Tätigkeit unterscheiden.
Beschreibend loben: so geht’s
Aber Achtung: nicht der Mensch soll gelobt und damit ja auch immer einer Beurteilung durch die Eltern unterzogen werden. Die Handlungen stehen im Vordergrund. Bemühen Sie sich beim Loben also um ein Beschreiben dessen, was Ihnen gefällt: „du hast dich letzte Woche richtig konzentriert an deine Hausaufgaben gesetzt, du bist nach dem Training gleich heimgekommen um nochmal zu lernen und du hast dich hier zuhause nicht von deinen Geschwistern ablenken lassen, und jetzt ist da eine ganz gute Note rausgekommen, das erleichtert mich sehr!“, oder: „du hast dich ganz alleine fertig gemacht für den Kindergarten. Die Schuhe hast du angezogen und deine Jacke übergezogen, sogar schon die Mütze auf dem Kopf. Da sind wir heute viel schneller. Das freut mich sehr!“, oder: „du hast ja schon den Tisch gedeckt und an die Gläser und das Besteck gedacht, die Teller für alle hingestellt und sogar das Ketchup steht schon auf dem Tisch. Da können wir ja gleich anfangen zu essen. Da bin ich gleich viel entspannter weil ich schon so einen Hunger habe“. Es gibt viele Möglichkeiten. Schauen Sie hin, was Ihr Kind alles leistet und sehen Sie es. Denn wenn Sie so genau benennen, was sie alles wahrnehmen, wächst Ihr Kind, es wird gesehen und nicht bewertet. Es bleibt unversehrt, wird nicht manipuliert und bekommt gespiegelt, was es kann. Wenn Sie beim beschreiben auch etwas positives empfinden, teilen Sie es unbedingt Ihrem Kind mit. Seine emotionale Kompetenz wächst damit auch. Wenn Sie so noch nie gelobt haben, dann machen Sie sich keine Vorwürfe, sondern beginnen Sie einfach heute damit. Seien Sie aufmerksam für die Situationen, in denen es Ihnen leicht fällt, etwas positives an Ihrem Kind zu beschreiben und nutzen Sie dafür jede Gelegenheit.
Benennen Sie zwei bis drei Dinge, die Sie auf einem Bild sehen oder die Ihnen an der Sandburg auffallen anstatt Ihr Kind mit einem bewertendem „Super!“ oder „Du bist toll!“ stehen zu lassen. Sie ermöglichen ihm damit eine gute Selbstwahrnehmung ohne dass seine Person in Frage gestellt werden kann. Ein Kind, dass nur wenn es eine 1 in Mathe heimbringt hört, dass es ein super Kind ist, kann sich die Frage stellen, was es denn ist, wenn es keine guten Noten heimbringt.
Wie überall und immer kann man natürlich auch beim Loben vieles falsch machen. Die oben beschriebene Unterscheidung zwischen Person und Handlung ist die eine Gefahrenquelle. Wir wollen die Kinder ja unabhängig machen und es ihnen ermöglichen, dass sie ganz alleine dahin kommen, zu wissen, was sie tun müssen um sich gut zu fühlen. Die andere liegt in der manipulativen Macht des Lobes. Hier geht es wieder um Ihre Haltung. Loben Sie Ihr Kind nicht ausschließlich um es auf erwünschtes Verhalten zu konditionieren. Halten Sie immer wieder Einkehr und machen Sie sich bewusst, dass Sie Ihr Kind lieben, so wie es ist. Auch wenn es nicht alles isst, nicht alles anzieht, sich manchmal daneben benimmt, nicht das beliebteste Kind in der Klasse ist und nicht ausschließlich gute Noten schreibt. Das ist nämlich normal.
Dieser Artikel wurde verfasst von der sozialpädagogischen Unterstützung am Gymnasium, Julia Staudt. Die sozialpädagogische Unterstützung an Gymnasien, auch SPUG genannt, stellt eine Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule dar. Sie bietet Schülern und deren Eltern Unterstützung und Beratung an.