Zoff und Harmonie - Konflikte zuhause und Wege zu weniger Streit
Wer kennt das nicht? Nervenaufreibende Diskussionen über die Notwendigkeit von Schwimmflügeln oder Fahrradhelm, über die Hausaufgaben („Warum muss ich das jetzt machen?“), den Speiseplan („Ich will aber lieber Schnitzel!“), die Geschwister („Alle doof! Die sollen weg sein!“) oder darüber, dass es heute kein Eis gibt, keine weitere Fernsehserie geschaut wird und es eh bald ins Bett geht („Warum? Ich habe heute erst…“).
Streit und Konflikte gehören zum echten Leben in einer Familie einfach dazu, sie sind Bestandteile des Familienalltags. Wo und wie sonst, außer im Konflikt, durch Reibung und Auseinandersetzung können Kinder (und Eltern) ihre eigenen Positionen entdecken und entwickeln. Abgrenzung und Ablösung der Kinder von elterlichen Sichtweisen sind für die Entwicklung der eigenen Identität sehr wichtig.
Da heißt es für Eltern also starke Nerven behalten, immer wieder Kraft schöpfen und dann voller Elan hinein ins Familienleben – mal mit Zoff und Konflikten, mal mit Harmonie und Kompromissen.
Für Eltern und Kinder ist es dabei wichtig, die eigenen Gefühle wahrzunehmen. Die Gefühle anderer (und auch die eigenen) richtig einzuschätzen, ist ein Lernprozess. Zur „emotionalen Kompetenz“ gehört auch, dass man den eigenen Empfindungen und Emotionen nicht hilflos ausgeliefert ist. Emotionale Kompetenz wird durch Erfahrungen erlernt und ist eine wichtige Voraussetzung für einen fairen Streit. Nur so können wir dem Streit seine zerstörerische Macht nehmen.
Aber: Wie bringe ich meinem Kind emotionale Kompetenz bei … und … besitze ich sie selbst? Übermächtig schlagen die Gefühle manchmal zu und wir schmeißen in einem kurzen Augenblick alle guten Vorsätze über Bord. Das ist normal. Dann wird geschrien und geschimpft, geweint und getröstet und hoffentlich auch wieder versöhnt. Oder aber wir lassen alle Regeln sausen und nehmen eine „dann mach doch, was du willst“ –Haltung ein. Auch wenn es im akuten Konflikt nicht so erscheint, es ist viel kraftsparender und beziehungsschonender, sich nicht von seinen wütenden Gefühlen leiten zu lassen. Besser ist es, den inneren Pausenknopf zu drücken und sich und seinem Kind zu helfen, wieder einen kühlen Kopf zu bekommen.
Ab einem Alter von circa drei bis vier Jahren können Sie beginnen, diese Kompetenz mit ihrem Kind zu trainieren. Helfen Sie Ihrem Kind Gefühle differenziert wahrzunehmen und zu benennen. Heute bin ich froh oder traurig… Spiegeln Sie Ihrem Kind, dass auch Trauer, Wut und Zorn normale Gefühle sind. Sie müssen nicht ausgeblendet werden. Hilfreich ist es allerdings, gemeinsam mit dem Kind Strategien zu entwickeln, wie man aus einem emotionalen Tief wieder heraus kommt. Auch hier kann verschiedenes angeboten und ausprobiert werden. Kinderdisco oder ein kleiner Sprint um den Block, ein Waldspaziergang oder ein Schlag in ein Kissen. Binden Sie ihr Kind ein in die Sammlung von Ideen, was es beim nächsten Mal tun kann, wenn es wieder wütend ist.
Im ersten Schritt bemühen Sie als Eltern sich also darum, wieder sachlich sein zu können. Im zweiten Schritt müssen Sie Ihr Kind auf diesem Weg begleiten. Finden Sie gemeinsam Möglichkeiten, wie es wieder ruhig werden kann. Manchmal hilft auch eine Reise ins Reich der Fantasie, z.B. eine kurze Ideensammlung was Ihr Kind in dieser Situation machen würde, wenn es Superkräfte hätte. Dann würde es vielleicht den Vater, die Mutter oder das Geschwister kurzerhand auf den Mond schießen und käme nie mehr zurück. Egal worüber, lachen Sie gemeinsam. Erst wenn Ihr Kind emotional wieder halbwegs ausgeglichen ist, ist es zur Problemlösung bereit. Sie übrigens auch.
Wenn beide am Konflikt beteiligten Parteien wieder einen kühlen Kopf haben, beherzigen Sie die folgenden Tipps für ein gelingendes Gespräch:
• Gestehen Sie Ihrem Kind eine eigene Sichtweise zu, bemühen Sie sich, seine Vorstellungen und seine Meinung zunächst einfach nur zu verstehen.
• Wirklich zu verstehen gelingt am besten, indem man sich an die Regeln aktiven Zuhörens hält. Blickkontakt ist hierfür genauso hilfreich, wie das Wiederholen des Gehörten. Auch Wünsche und Gefühle sollen und können hier benannt und gehört werden.
• Vermeiden Sie Verallgemeinerungen und Schuldzuweisungen. Sprechen Sie von einer konkreten Situation, und davon, was diese Situation in Ihnen ausgelöst hat.
• Formulieren Sie Ihre Wünsche und Bedürfnisse als Ich-Botschaft.
• Treten Sie nun gemeinsam mit Ihrem Kind in die Phase der Lösungsfindung ein. Bestärken Sie Ihr Kind, indem Sie zunächst alle Ideen aufnehmen. Bevor Sie eine Idee als nicht umsetzbar herabwürdigen, ermuntern Sie es lieber, noch mehr Ideen zu benennen. Lassen Sie die Ideen einfach stehen und fragen weiter, „Das ist eine Idee, was fällt dir noch ein?“
Damit sind Sie mittendrin im schönsten Miteinander und Ihr Kind gewinnt dabei zum einen emotionale Kompetenz und zum anderen lernt es, wie man Lösungen für ein Problem findet und Kompromisse schließt.
Dieser Artikel wurde verfasst von der Sozialpädagogischen Unterstützung am Gymnasium Puchheim, Julia Staudt.