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Hätte ich netter schimpfen sollen?

Im Laufe meines Lebens als dreifache Mutter, langjährige Lehrerin und Autorin zahlreicher Sachbücher bestätigte es sich immer wieder: Kinder und Jugendliche dürfen auf keinen Fall klein gemacht und abgewertet werden, im Gegenteil: Wertschätzung ist eine wesentliche Grundhaltung und die Basis, auf der Erziehung aufbaut.

Bis hierhin folgen mir vermutlich viele Menschen. Ja, man will wirklich gerne wertschätzend zu den eigenen Kindern sein. Wenn da nicht …

Ja, wenn da nicht all diese Situationen wären, in denen es uns Eltern plötzlich doch schwerfällt, beim guten Vorsatz zu bleiben. Wenn das Kind nicht tut, was wir so gut und lieb erklärt haben. Wenn das Kind immer wieder gegen Regeln verstößt, die uns so wichtig sind. Wenn wir selbst nicht gut drauf sind und an unsere Grenzen stoßen.

Schnell greifen Eltern dann doch zu den Klassikern wie Schimpfen, Drohen, Schreien. Das Gefühl, den eigenen Ansprüchen nicht zu genügen, kann sich wie Scheitern anfühlen. Viele Eltern quälen sich mit einem schlechten Gewissen und fragen sich schon mal: Hätte ich netter sein sollen? Hätte ich gar netter schimpfen sollen?

Dabei ist viel gewonnen, wenn sich zur Wertschätzung von Anfang an auch die Klarheit gesellt, wenn wir also – besonders in Grenzsituationen – klar in unserem Verhalten sind, klar sagen, was wir gut und was wir schlecht finden, klar sagen, welches Verhalten wir auf keinen Fall dulden werden, aber auf das Mittel des Schimpfens verzichten. Wobei Klarheit auch heißt, manches mit Nachdruck, aber ohne Abwertung zu sagen! Unsere Kinder müssen einfach wissen, was uns wichtig ist – nicht nur jetzt gerade, sondern prinzipiell. Klarheit hat nichts mit Strenge und schon gar nichts mit Härte zu tun, aber sie macht uns Eltern zu Personen, die ihren Kindern Halt und Orientierung geben und ihnen liebevolle Führung bieten.

Leicht ist das nicht! Wir wollen es uns ja nicht gerne mit unseren Kindern verscherzen, wir wollen sie nicht traurig, nicht wütend sehen, wir wollen nicht, dass sie heulen oder toben oder uns schlichtweg oberblöd finden. Aber da müssen wir durch! Denn eines ist sicher: Solange das Kind sich der elterlichen Wertschätzung sicher sein kann, solange die gute Bindung, die die Eltern von Anfang an gefördert haben, in Form einer guten Beziehung wirkt, richtet ein klares, aber nicht abfälliges Wort keinen Schaden an. Langfristig lohnt es sich auf jeden Fall, auch mal Missstimmung auszuhalten. Im Innersten erkennen Kind meist bald, dass die Eltern es gut meinen.

Zu vielen herausfordernden Situationen muss es außerdem gar nicht kommen, denn Eltern können durch Vorbeugen brenzlige Situationen entschärfen und sich mit hilfreichen Gedanken und Verhaltensweisen für Situationen wappnen, die zu eskalieren drohen.

Dass Eltern trotz guten Willens immer wieder mal ihr Kind unfreundlich anschnauzen oder ausschimpfen, ist nur zu verständlich. Wie gut, dass hier der folgende Gedanke trösten kann: Solange mein Kind sich meiner Wertschätzung sicher sein kann, ist noch nichts Schlimmes passiert!

„Ich werde von meinen Eltern selten geschimpft“, sagt ein Kind in meinem Buch. „Manchmal schimpfen sie aber mich, wenn ich mit meinem Bruder streite, und tun so, als sei ich schuld. Wenn das nicht stimmt, bin ich richtig enttäuscht und wütend. Schreien allerdings fände ich schlimm. Am schlimmsten wäre es, wenn ich Angst haben müsste, dass sie mich nicht mehr liebhaben.“

Wenn Eltern das eigene Verhalten immer wieder kritisch reflektieren und sich gegebenenfalls beim Kind entschuldigen, ist dies besser, als wenn sie sich mit lähmenden Schuldgefühlen herumschlagen. Außerdem sind sie ihren Kindern so ein gutes Vorbild: Ja, man kann einsehen, dass man falsch gehandelt hat, und ja, es ist gut, um Verzeihung zu bitten.

Dieser Text wurde verfasst von Heidemarie Brosche.

Ein weiterer Artikel zum Thema: Lob statt Strafe

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